Heute habe ich einen Bericht über digitale Wasserzeichen von Digimarc gelesen und weiß nicht, ob ich mich freuen oder betrübt sein soll. Wie Heise.de berichtet beginnen erste deutsche Verlage damit, ihre eBooks in verschiedenen Formaten nun mit Wasserzeichen zu versehen, um Verletzungen des Urheberrechts zu tracken und die Verbreitung zu verhindern. Das System wird in den USA wohl schon von einigen Verlagen verwendet, in Deutschland beginnen Hanser und Suhrkamp mit dem Test. Im folgenden Beitrag möchte ich euch kurz aufzeigen, wie das System funktionieren soll und was ich davon halte.
Beim Kauf eines elektronischen Buches in einem Online-Shop wird das Buch direkt vor dem Download mit einem individuellen Wasserzeichen versehen. Es ist also nicht so, dass einfach die Datei vor der Bereitstellung an die Shops markiert wird, sondern jede Kopie individuell. Es gibt dafür sichtbare Wasserzeichen und unsichtbare. Die sichtbaren werden von Digimarc als social watermarks bezeichnet und sind im Buch lesbar. Die unsichtbaren verstecken sich im Buch und das so gut, dass sie nur schwer auffindbar sind, so das Versprechen des Anbieters. Über die individuelle ID kann z.B. der Shop oder das Portal identifiziert werden, in dem das Buch erworben wurde, wenn es später in Tauschbörsen auftaucht. Digimarc selbst kann angeblich nicht auf die Nutzerdaten zugreifen, weiß also nicht, wer es gekauft hat, die Verlage können dies allerdings. Dazu später mehr.
Natürlich ist es das Recht eines jeden Verlags, Autors und Urhebers, seine Werke und sein geistiges Eigentum zu schützen und das ist auch gut so! ich will auch nicht, dass hier im Blog jemand Bilder klaut und verbreitet, ohne mich zu nennen. Wenn man sich mit Materie und Szene nicht auskennt kann es allerdings schwer sein, die richtigen Plattformen zu finden und Maßnahmen zu ergreifen, damit die Kopien verschwinden. Digimarc bietet deshalb an, das Tracking zu übernehmen und das Internet nach den Dateien mit dem Wasserzeichen zu durchsuchen. Hier stelle ich mir die Frage: Wofür brauche ich (individuelle) Wasserzeichen, um Dateien von Providern und Suchmaschinen sperren zu lassen? Eine illegale Kopie ist mit und ohne Wasserzeichen immer eine illegale Kopie, die entsprechend entfernt werden kann. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Wasserzeichen “telefonieren” nicht nach Hause. Es ist nicht so, dass die Dateien sich mit diesem System automatisch melden, nein, das Unternehmen durchsucht ganz klassisch die einschlägigen Seiten und Tauschbörsen und wenn ein Buch auftaucht, wird das Wasserzeichen gecheckt. Hier frage ich mich, wieso nicht einfach alle Kopien eines Werkes gemeldet werden, egal ob mit oder ohne Wasserzeichen. Würde für mich zum gleichen Ergebnis führen, wobei ich natürlich offen bin für Punkte, die ich dabei jetzt übersehen habe.
Wer von euch hat schon mal eine Raubkopie gesehen, gehört oder gelesen? Egal ob MP3, DVD oder BluRay, keiner der Kopierschutz-Mechanismen, den die Industrie entwickelt hat, hielt wirklich lange. Zwar wird von dem Wasserzeichen behauptet, es sei schwer zu entdecken, aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es geknackt wird und irgendwie habe ich Gefühl, dass das eher früher als später passieren wird. So etwas geht ja häufig in zwei Stufen. Wenn ein neuer Kopierschutz auf dem Markt ist, stürzen sich schnell viele Kryptographie-Experten darauf. Es ist eine Herausforderung, Verschlüsselungen und Einschränkungen zu knacken bzw. zu umgehen. Böse Absichten unterstelle ich hier nicht, denn ein guter Schutz ist nur der, an dem sich möglichst viele probiert haben. PGP ist so ein Beispiel. Entwickelt von der Open-Source Community. Viele haben es versucht, doch wenn man beim Verschlüsseln keine Fehler macht, ist er bis heute sicher.
Wer einen Erfolg erzielt, und so ein System ausschalten kann, wird damit nicht hinter dem Berg halten und dies veröffentlichen. Um zu zeigen, was er kann, Fehler und Schwachstellen aufzudecken, aber nicht um bewusst zu schaden. Damit ist es allerdings im Regelfall vorbei für die Person. System geknackt, mission accomplished. Jetzt setzt die zweite Stufe ein. Die Ergebnisse werden von anderen verwendet, um den Schutz tatsächlich zu umgehen und illegale Raubkopien herzustellen, welche dann verbreitet werden.
Natürlich ist es schwierig beim Thema Raupbkopien von Moral zu sprechen, denn an sich ist eine Raubkopie nichts anderes als Diebstahl, auch wenn es gerne bagatellisiert wird. Wie gesagt, ich bin nicht gegen Urheberrecht und auch wenn wir es wohl alle schon gemacht haben, Raubkopien sind falsch. Anzuführen ist, dass es bisher keine wirklichen Studien gibt, die zweifelsfrei belegen, dass tatsächlich ein Schaden dadurch entsteht, aber das ist eine andere Sache. Wo sehe ich nun die Probleme des Systems? Ganz einfach. Wie schon bei den technsichen Aspekten erwähnt, ist so ein System nicht notwendig, um die Inhalte zu entfernen, es dient ausschließlich dazu, die Quellen zu identifizieren. Digimarc selbst weiß zwar nicht, wer die Inhalte zur Verbreitung bereit gestellt hat und geht auch nicht dagegen vor, doch die Verlage sind dazu in der Lage. Sie können anhand der Käufe herausfinden, wer das Buch, dass da über BitTorrent läuft gekauft hat. Das geht über die ID und über zusätzliche Meta-Informationen, die eingebaut werden können. Steht diesen Leuten nun also eine Welle an Klagen bevor? Besonders blöd ist es natürlich für diejenigen, die sich ein Buch “klauen” lassen (jemand anderes war kurz am Rechner), oder es in gutem Gewissen privat teilen und es dann den Weg zu Tauschbörsen findet, doch das sollte der kleinere Teil sein.
Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Das Thema Leistungsschutzrecht wirft derzeit kein gutes Licht auf die deutschen Presseverleger, schauen wir mal, wie sich die Verlage verhalten werden. Bleiben sie beim Sperren und löschen oder gehen sie gegen Einzelpersonen vor. Und wie ist das Datenschutzrechtlich zu bewerten? Dürfen Bücher beim Verkauf so eindeutig zugeordnet werden? Das Landgericht Bielefeld hat vor kurzem entschieden, dass es rechtens ist, den Verkauf digitaler Bücher zu untersagen. Das wäre ein Punkt, der dafür spricht, elektronische Bücher individuell zu kennzeichnen. Ob wir das wollen ist eine andere Frage….
Wie immer freue ich mich über Anregungen und Kommentare. Wenn sich jemand aus dem Verlagswesen findet, wäre das auch mal ein spannendes Thema für ein Sag was! Interview, also meldet euch einfach 😉
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