Warum ich für ein vereinigtes Europa bin - Pro Europa

Mal ganz ehrlich? Mir gefällt nicht, dass unterdessen so viele danach schreien, den Euro seien zu lassen, den Einfluss der EU zu reduzieren und wieder mehr Souveränität in die Hände der einzelnen Länder zu legen. Ganz im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass es für uns alle in Europa das Beste wäre, wenn wir so etwas hätten wie die vereinigten Staaten von Europa. Und das meine ich genau so wie es klingt. Eine Regierung, ein Kanzler/Präsident. Die jetzigen Länder hätten dann noch einen Status wie die Bundesländer heute in Deutschland oder die Bundesstaaten in Amerika, oder von mir aus gerne noch weniger. Es gibt mehrere Punkte, die mich zu dieser Einstellung gebracht haben und ein paar davon will ich hier mal darstellen.

Deutschland hat die Vereinigung der einzelnen kleinen Reiche nicht geschadet.

Vorbild Deutschland – uns hat es nicht geschadet

Deutschland ist ein tolles Land. Das sage ich hier völlig ohne Ironie. Es geht uns gut. Wirklich gut. In kaum einem anderen Land geht es den Bürgern so gut wie bei uns. Wir liegen unter 5% Arbeitslosigkeit, haben eine relativ gute Sozialversicherung und die Gesundheitsfürsorge ist prima. Der Wirtschaft geht es gut und in Deutschland verhungert keiner und im Regelfall muss man nicht sterben, weil grundlegende medizinische Versorgung nicht leistbar ist. Ja, ich mag Deutschland, aber wie aus den ersten Zeilen hoffentlich klar wird, heißt das nicht, dass ich nationalistisch eingestellt bin und diesen Status mit allen Mitteln bewahren und vor allem von anderen abschirmen will. Vielmehr will ich damit sagen, dass man von Deutschland lernen kann. Dafür will ich mal einen kleinen Blick in die Vergangenheit werfen. Ich frage mich immer, ob sich die Leute, die von deutscher Identität sprechen, im Klaren darüber sind, dass Deutschland im Gegensatz zu z.B. England und Frankreich in der derzeitigen Konstellation gar nicht so alt ist. Ich würde mal sagen, der erste Grundstein für die heutige Situation war vor gut 200 Jahren der Wiener Kongress, der erstmals eine Form der Einigung unter den vielen verschiedenen Territorien versprach. Das waren viele kleine Reiche, alle individuell regiert und erst damals kam es zu einer großflächigen Zusammenarbeit, an der auch einige “ausländische Mächte” beteiligt waren. Der Deutsche Bund führte dann zum Deutschen Reich, das 1871, also vor weniger als 150 Jahren gegründet wurde. Von einer Jahrhunderte alten deutschen Identität kann hier also keine Rede sein. Viel mehr ist es so, dass das Land, in dem wir heute leben ein Zusammenschluss vieler verschiedener Kleinstaaten ist, die sich geografisch nahe waren, und sicher auch in der Sprache deutlich näher, als mit anderen Ländern. Dennoch sieht man eines meiner Meinung nach ganz klar, wenn mal ehrlich ist: Deutschland besteht noch heute aus verschiedenen Völkern und verschiedenen Kulturen. Als Bayer spüre ich weniger Unterschiede zu einem Österreicher als zu einem Norddeutschen (und verstehe sie teilweise auch besser). Und hey, das ist völlig ok. Menschen sind verschieden, Regionen sind über die Jahrhunderte durch die Gegebenheiten geprägt worden, in der die Bewohner ihr Leben gestaltet haben. Und doch haben “wir Deutschen” uns zusammengeschlossen und so ein Gegengewicht zu Frankreich, Großbritannien und anderen Großmächten gebildet und aus heutiger Sicht hat es uns nicht geschadet. Wenn man sich das 20. Jahrhundert ansieht, dann haben eher wir den anderen geschadet und das soll hier nicht untergehen, ist aber auch nicht das Thema. Betrachten wir also unsere eigene Geschichte, stellen wir fest, Deutschland ist als Bundesrepublik deutlich mächtiger, wirtschaftlich, wie politisch, als viele einzelne Staaten und auch bei den USA zeigt sich etwas ähnliches, wenn auch in einem größeren Maßstab. Und falls jetzt die “Früher war alles besser”-Fraktion in den Kommentaren aufschlägt: Vielleicht ging es euch vor der Wende besser, aber auf ganz Deutschland gesehen hat auch der Zusammenschluss mit der DDR keinen großen Schaden verursacht oder?

Für mich ist klar, wenn wir uns vergrößern und als geeintes Europa auftreten, dann müssen vielleicht einige wenige etwas abgeben, aber viel gewinnen viel dazu.

Aus reinem Eigeninteresse sage ich also: Europäische Staaten vereinigt euch, damit Europa eine stärkere Position in der Welt einnehmen kann.

Weniger Verwaltungsaufwand – eine Ebene der Gesetzgebung

Natürlich, die EU bringt viele Regeln und Auflagen mit sich, die später in nationale Gesetze überführt werden müssen. Das ist viel Aufwand und geht einigen gegen den Strich und naja, schwachsinnige Sachen sind auch dabei. Aber haben wir die nicht auch selbst? Historische Dinge, die man eigentlich nicht mehr braucht? Die §§961ff des BGB, die sich mit Eigentumsverhältnissen an Bienenstöcken beschäftigen sind da so ein rein deutsches Beispiel. Ich denke aber trotzdem, dass eine Gesetzgebung auf EU Ebene langfristig leichter wäre. Zum einen würde schlicht die Verwaltungsstufe wegfallen, dass es noch mal für die Länder angepasst werden muss, zum anderen würde das nicht zurück feuern und man müsste manche Sachen überarbeiten. Ganz zu schweigen davon, dass einzelne Länder Gesetze verabschieden, die dann vom EUGH wieder gekippt werden, wie die deutsche Vorratsdatenspeicherung. Wie viel Ärger wäre uns da erspart geblieben. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber wenn die EU ein Gesetz entwirft und das verabschiedet wird, dann müssen die Länder sich daran halten, wenn wir in Deutschland ein Gesetz machen, dann kann die EU bzw. der EUGH das kippen. Wieso dann nicht gleich einheitliche Gesetze für alle? Außerdem wäre das einfacher, weil es einfach einheitlich wäre. Nehmen wir mal als Beispiel eine Fahrt in den Urlaub. Wer weiß, was er im Auto mitführen muss? Wie viele Warnwesten braucht man? In Deutschland ist das relativ harmlos. Man muss eine Warnweste im Auto haben, Pflicht sie zu tragen besteht nicht. In dem kleinen Land Bulgarien (Eu, kein Euro), muss jeder Insasse, der bei einem Unfall oder einer Panne außerhalb geschlossener Ortschaften das Auto verlässt eine Weste tragen. Sowas muss man einplanen, abhängig davon, welche Länder man durchfährt. Ebenso gilt die Pflicht in Deutschland nur für Autos, nicht aber für Motorräder, was in anderen Ländern anders ist. In einigen Ländern ist sogar das Mitführen von Ersatzbirnen für Scheinwerfer sowie ein Feuerlöscher Pflicht.

Für mich ist klar, wenn wir die Gesetzgebung ausschließlich auf EU-Ebene durchführen, würde das langfristig zu einer starken Vereinfachung und Einsparungen führen.

Wieder mal das reine Eigeninteresse, ganz klar, aber hey, alles würde einfach werden. Dabei würden wir auch noch viele Kosten sparen und sicher ist es nicht leicht, das ganze Rechtssystem einheitlich zu gestalten, aber dazu sollten wir durchaus in der Lage sein.

Es ist nicht leicht, sich mit allen zu einigen, dennoch wäre eine Gesetzgebung im vereinigten Europa leichter als bisher
Schengen und Euro machen das Leben für mich deutlich leichter.

Wir haben doch schon eine Währung und keine Grenzen

Vielleicht vergessen das viele und manche haben es auch gar nicht anders in Erinnerung, aber ist es nicht toll, dass wir einfach ins Auto steigen können, um ungehindert nach Österreich, Frankreich oder Italien zu fahren? Ich will es nicht missen. Genau so verhält es sich für mich mit dem Euro. Es ist einfach toll, dass ich von Estland bis Portugal mit der gleichen Währung zahlen kann. Keine Wechselkursschwankungen, keine zwei Portemonnaies. Für mich bedeutet das Sicherheit und Einfachheit. Alles worüber ich mir keine Gedanken machen muss ist toll und dazu stehe ich. Ich mag es, dass ich kein Geld wechseln und ständig umrechnen muss, damit ich nicht in irgend eine Preisfalle tappe und zu viel ausgebe. Auch Geschäfte mit anderen Ländern sind viel einfacher auf diese Art. Für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand wäre es gefährlich, wenn wir das Schengen-Abkommen aufkündigen und den Euro abwickeln. Ich wünsche den Briten wirklich nichts böses, aber ich hoffe, dass sich mit Brexit dort zeigen wird, was es für Folgen hat, wenn man aus dem Wirtschaftsraum austritt, selbst wenn man nicht mal den Euro hatte. Sicherlich noch ein Problem, in dem ich aber nicht so tief drin stecke ist der Arbeitsmarkt. So einfach ist es nicht, mal kurz in einem anderen Land zu arbeiten, vor allem wenn man seinen Wohnsitz nicht verlagert. Auch das wäre einfacher. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es nicht so leicht, jemand, der z.B. in Österreich oder Frankreich wohnt in einem deutschen Unternehmen ohne Niederlassung im entsprechenden Land einzustellen. Bei der heutigen Arbeitssituation, wo für viele Tätigkeiten keine persönliche Anwesenheit erforderlich ist, ein Zustand der sich dringend ändern sollte. Die Einführung des Euro und das Schengen abkommen waren erste Schritte auf dem Weg zu einem vereinigten Europa, jetzt ist es an uns, das weiter voran zu treiben.

Für mich ist klar, dass sich durch Euro und Schengen viel gebessert hat. Nun ist es an uns, diese Schritte konsequent weiter zu gehen, von Nationalstaaten hin zu einem vereinigten Europa.

Gleiche Chancen für alle

Natürlich bietet die weitere Liberalisierung vor allem im Arbeitsmarkt Chancen für die einen und Gefahren für die anderen. Da kommen die bösen Ausländer und nehmen uns die Jobs weg. Ja, so ist das halt. Wichtig ist dabei immer noch die Sprache, denn ein Spanier, der kein Deutsch spricht, wird auch bei einem vereinigten Europa nicht ohne weiteres einen Job in Deutschland bekommen. Wer es allerdings auf sich nimmt, die Sprache zu lernen, der hat auch diese Chance verdient. Mir geht es bei “gleiche Chancen für alle” aber eher um das Thema Bildung. Ich bin für ein einheitliches Schulsystem. Ich finde schon die Hoheit der Bundesländer in Deutschland nicht gut. Ein deutscher Schulabschluss sollte über ganz Deutschland einheitlich sein. Noch besser wäre natürlich eine absolute Vergleichbarkeit über ganz Europa hinweg. An unserem Schulsystem ist mehr kaputt, denn Kinder aus ärmeren Familien haben wohl nicht die gleichen Chancen, höhere Schulen zu besuchen, aber das könnte man ja in dem Zuge gleich mit angehen, oder? Generell ist eine Modernisierung der Schulen sicher nicht falsch. Dabei beziehe ich mich vor allem auf Lehrstoff und didaktische Methoden. Wenn so ein großes Vorhaben angegangen wird, dann könnte man das ideal kombinieren mit einer Vereinheitlichung.

Für mich ist klar, dass alle Kinder von einer vereinheitlichung des Schulsystems profitieren könnten.

Alle Kinder in Europa würden von einer Reform des Schulsystems profitieren.
Der Euro ist das einzige Gegenstück zum Dollar

Vereinigte Staaten von Europa – ein echtes Gegenstück zu den USA und China

Ja, der Euro… Alle meckern darüber, ich finde Ihn toll. Aber es kommt nicht auf den einzelnen an. Global betrachtet ist der Euro ein echtes Gegenstück zum Dollar und das sollte uns bewusst sein. Gäbe es keinen Euro, hätte Europa keine Währung, die nur annähernd die internationale Macht hätte wie die USA und China. Weder die D-Mark noch das Pfund sind dazu in der Lage. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir als vereinigte Staaten von Europa wirklich ein noch größeres Gewicht hätten. Kein Ausspielen einzelner Länder gegeneinander sondern ein Staat, der die über 330 Millionen Menschen, die derzeit in der Eurozone leben vertritt. Hintergrund der Wirtschaftsmacht ist einfach das, was hinter dem Euro steht. Einzelne Landeswährungen sind schlicht und ergreifend zu klein, um so viel Deckung zu haben. Man darf nicht vergessen, dass Geld einfach nur ein Stück Papier ist, von dem wir uns einen Wert denken. Dieser ist wirklich rein imaginär, vor allem, da wir in einer Zeit leben, in der Währungen nicht mehr wie früher von Goldreserven gedeckt sind. Der Wert den eine Währung hat ist also immer abhängig von den Sicherheiten, die dahinter stehen und kein Land, auch nicht Deutschland ist in der Lage so viele Sicherheiten zu bieten, wie die Eurozone. Dazu käme die kombinierte Produktionskapazität und das Einkaufsvolumen. Auch für Handelsabkommen ist es ein Vorteil, als geschlossene Einheit aufzutreten. So müssen sich nicht erst über zwei Dutzend Länder darauf verständigen, was Sie eigentlich wollen.

Für mich ist klar, dass ein wirtschaftlicher Zusammenschluss der Staaten eine größere Bedeutung der EU in der Welt nach sich zieht.

Mehr Umverteilung

Und zu guter Letzt kommt noch der soziale Aspekt hinzu. Wie oft habe ich gehört von den faulen Griechen oder Italienern. Oder Spaniern. In allen Ländern, denen es schlecht geht, sind die Leute faul und haben es nicht anders verdient. Wir sind besser, weil wir erfolgreicher sind. Dabei soll sich jetzt mal jeder an die eigene Nase fassen und sagen, wieviel er wirklich dazu beigetragen hat, dass es in Deutschland voran geht. Und fangen wir gar nicht an, von den wirklich armen Menschen in Afrika und anderswo, die ja auch alle selber schuld sind. Ganz ehrlich? Ich hatte Glück. Ich bin in einem der reichsten Länder der Welt geboren. Ich habe mich angestrengt und es geht mir gut. Sehr gut sogar. Das ist natürlich zum Teil mein Erfolg, aber die Ausgangslage, die ich mit meiner Familie und der Infrastruktur hatte, war nichts anderes als Glück. Deshalb bin ich auch sehr kritisch, wenn es darum geht, dass Leute davon erzählen, dass sie besondere Rechte hätte, die sie sich damit verdient hätten, dass sie Deutsche sind. Das ist der Punkt, an dem ich mir immer die Frage stelle, ob die Schreihälse mehr dafür getan haben, Deutsche zu sein, als dass sie hier geboren sind. Ganz ehrlich? Solche Sprüche verstehe ich noch eher von Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind, die Sprache gelernt und sich integriert haben, um letzen Endes die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die haben nämlich was dafür getan. Sie haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und bewusst die Entscheidung getroffen, Deutsche zu werden. Ich will keinem Deutschen die Staatsbürgerschaft absprechen, das auf keinen Fall, aber bin ich automatisch besser als ein Spanier, weil ich gebürtiger Deutscher bin? Ich denke nicht. Eine Vereinheitlichung des gesamten Steuer- und Finanzsystems in Europa wäre für mich ein guter Weg, hier Gleichheit zu schaffen. Alle zahlen die gleichen Steuern, die gleiche Rente, gehen zur gleichen Zeit in Rente und bekommen die gleichen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung oder der Krankenkasse. Auch hier könnten langfristig viele Kosten gespart werden, aber wir würden alle ein wenig gleicher und vielleicht wäre das ein erster Schritt, um das Vermögen ein wenig umzuverteilen und damit die wachsende Spreizung zwischen Arm und Reich wieder ein wenig zu verkleinern.

Für mich ist klar, es vielen Menschen deutlich besser gehen würde, wenn wir Steuer- und Sozialkassen zusammenführen würden.

Umverteilung ist nichts schlechtes.

Fazit

Ich bin für mehr Europa. Das sollte klar geworden sein. Sogar für vereinigte Staaten. Wird das leicht? Sicher nicht. Werden Leute darunter leiden? Ja, das werden Sie. Immer wenn Verwaltung zusammen gelegt wird, verlieren einige Menschen an Macht und viel mehr ihren Job. Für den Machtverlust, können wir niemand entschädigen, aber das ist eher eine Ego-Sache. Die Leute, die ihren Job verlieren, müssen wir auffangen. Das ist so, aber das können wir uns leisten. Langfristig wäre es eine Investition, die sich meiner Meinung nach lohnt. Mir ist auch klar, dass das alles nicht so einfach ist. Wir müssen klare Regeln für Einwanderung festlegen (nein, Kriegsflüchtlinge sind keine Einwanderer, die nimmt man immer auf) und auch hoffen, dass unser zukünftiger Chef nicht aus einem der Lager kommt, die in vereinzelten Ländern gerade viel zu stark werden. Wir müssen die Grund- und Menschenrechte schützen und dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen haben und keiner auf der Strecke bleibt, aber ich muss ganz ehrlich sagen, so viel Stolz habe ich dann doch, dass ich denke, wer auf dieser Welt kann das schaffen, wenn nicht wir Europäer? Ich will mit strahlendem Vorbild voran gehen für eine bessere Welt und nicht zusehen müssen, wie das, was die Generationen vor mir auf den Weg gebracht haben wieder Rückgängig gemacht wird.